Dialekte In Uruguay
rengi914 de Mayo de 2013
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1 Einleitung
Wächst man in einer dialektal geprägten Region wie der bayerischen Operpfalz auf, so kommt man schon im frühsten Kindesalter, spätestens in den ersten Jahren der Grundschule damit in Berührung, dass die in Freundeskreis und Familie zumeist gesprochene Mundart, das Bayerische, von den Lehrern korrigiert wird. Man soll die in der in der Bundesrepublik Deutschland offiziell anerkannten Landessprache Hochdeutsch sprechen und schließlich auch schreiben. Ausweichversuche werden im Laufe der Schullaufbahn immer strenger verbessert und in die „richtige“ Form gebracht. Das bayerische Kind lernt, dass seine im Alltag gesprochene Mundart in der Schule unerwünscht ist, wenig Ansehen hat. Diese Erfahrung zieht sich auch durch den späteren Bildungsweg bis hin zum Leben im Arbeitsalltag. Das Hochdeutsche ist die im öffentlichen Leben einzig wirklich uneingeschränkt anerkannte Varietät der deutschen Sprache, sie hat als Standard hohen Prestigewert.
Nur allzu logisch wäre es, wenn die Kinder und Jugendlichen unter diesem Eindruck, dem sozialen Druck der ständigen Präsenz der Standardsprache, im Laufe der Zeit den bayerischen Dialekt ablegen würden. Es gibt auch Menschen, die zumindest versuchen, im Kontakt mit anderen auf das Bayrische komplett zu verzichten. Und dennoch sind kaum Orte in der Oberpfalz zu finden, in denen nicht in vielen Familien, während Freizeitbeschäftigungen oder auch allgemein im Freundeskreis der Gebrauch des Bayerischen allgegenwärtig ist, der Dialekt stirbt trotz der Präsenz der Standardsprache Hochdeutsch nicht aus. Dieses Phänomen gibt es in ähnlicher Form in vielen Sprachen auf der ganzen Welt.
Wie ist es möglich, dass in Bayern und an vielen Orten auf der Erde auf der einen Seite Menschen versuchen, sich des eigentlichen Dialekts zu entledigen, auf der anderen Seite aber ebensolche Beispiele, die ihre Mundart zumindest im Privaten in aller Vollständigkeit behaupten. Es muss Faktoren, eine Art der Wertschätzung der Sprechergruppen sowohl gegenüber einer Standardsprache, als auch gegenüber von regionalen Mundarten geben. Dieser Einfluss auf Sprecher wird in der Soziolinguistik als Prestige einer Sprache bezeichnet (vgl. Davies 2007:2; Chambers 2009: 234-235).
In der vorliegenden Arbeit werde ich diesen Themenbereich anhand von zwei Beispielen veranschaulichen. Um die bereits angedeutete Verbreitung der Thematik auf der ganzen Welt zu unterstreichen, habe ich zwei Entwicklungen aus völlig unterschiedlichen Sprachregionen gewählt: dem fronterizo-Dialekt im Norden Uruguays und einer Sonderform des chinesischen Wu-Dialekts, der shanghaihua in Shanghai.
Um den Rahmen der Arbeit dabei nicht zu sprengen, werde ich die Beschreibung der Varietäten nur kurz anschneiden. Als wichtiger erachte ich es, die sozialen, historischen und kulturellen Faktoren zu beleuchten, die zu den dargelegten Sprachentwicklungen in diesen Regionen führen und den Prestigeeinfluss erklären.
In meiner Arbeit werde ich zunächst einige Grundbegriffe erklären, die für das Verständnis des Themas unverzichtbar sind. Daraufhin werde ich den fronterizo in Uruguay in seiner Entwicklung und die darauf einwirkenden Faktoren beschreiben. Selbiges soll in ähnlicher Form dann mit der shanghaihua geschehen, um zu einem abschließenden Fazit zu kommen.
Bei der Bearbeitung der Fragestellung habe ich als Grundlage zur Soziolinguistik vor allem die Werke „Sociolinguistic Theory“ von J.K. Chambers und „Authority in language“ von Milroy und Milroy verwendet, die auch das Thema Prestige und Sprache behandeln. Zur Entwicklung des fronterizo hat Ana Maria Carvalho einige sehr überzeugende Studien entwickelt, Robert Angus hat ähnliches in Shanghai bearbeitet. Beide legen dar, wie die Ortsdialekte von Prestige beeinflusst werden.
2 Prestige und Sprache
In einem Sprachgebiet, in dem sowohl ein Dialekt, als auch eine Standardsprache nebeneinander existieren, besitzt die Standardvariante zumeist den prestigeträchtigeren Status gegenüber dem Dialekt. Als Standardvarietät eines Landes wird gemeinhin eine Sprache verstanden, die von den meisten Menschen eines Landes überregional verstanden wird und als in formellen Situationen angemessen ausgelegt ist (vgl. Davies/Langer 2006: 151). Diese Standardsprache wird in öffentlichen Situationen, wie Unterrichtsgesprächen oder in der Arbeitswelt, aber auch in Medien wie Hörfunk und Fernsehen zu einem großen Teil verwendet. Durch den natürlichen Einsatz dieser Varietät in solchen Situationen als prestigeträchtig wahrgenommen und anerkannt (vgl. Davies 2007: 2). Milroy und Milroy vergleichen diese Präsenz des Standards in der Öffentlichkeit sehr treffend mit der Vorgabe von guten Tischmanieren, die auch allseits bekannt sind und als Teil des guten Benehmens zumindest in der Öffentlichkeit strikt eingehalten werden sollen (vgl. Milroy/Milroy 1985: 1). Neben dieser offensichtlichen Einwirkung der Standardisierung einer Sprache auf den Sprecher, was in der Soziolinguistik als overt prestige bezeichnet wird, muss es allerdings noch eine weitere Prestige-Komponente geben, die bewirkt, dass auch Nicht-Standardvarietäten innerhalb einer Bevölkerungsgruppe akzeptiert und angewendet werden(vgl. Chambers 2009: 234-236). Diese Form des Prestige wird covert prestige genannt. Menschen in einer Region fühlen sich durch die Unterhaltung in einer speziellen Mundart gegenseitig näher und familiärer, was bewirkt, dass ihnen der Regiolekt bei der Verwendung angenehm vorkommt. Davies beschreibt das covert prestige als Ausdrucksform von Solidarität zu den Mitmenschen der gleichen Region und Loyalität zum Ort (vgl. Davies 2007: 2).
Im eingangs erwähnten Beispiel der Bayerischsprecher in der Oberpfalz ist das Hochdeutsche durch das overt prestige einer Standardsprache in Bildung, Medien und Geschäftswelt also fest anerkannt, die Sprecher benutzen jedoch in einem Akt der
(un-)bewussten Solidarität zu ihrem Wohnort und den Mitmenschen das Bayerische weiter, auch weil es ihnen vertrauter als der Standard erscheint.
Den Einfluss von Prestige auf Sprache muss man stets im historischen, kulturellen und sozialen Kontext sehen (vgl. Chambers 2009, S. 235), was die folgenden Beispiele des fronterizo und der shanghaihua zeigen sollen.
3 Die Entwicklung des fronterizo
3.1 Historischer Hintergrund: Sprache in Uruguay
Das Land Uruguay liegt zwischen den großen Flächenstaaten Argentinien und Brasilien am Río de la Plata. Seine Geschichte ist stark von dem Kampt um Einflusssphären seiner beiden Nachbarn bestimmt . So wurde die „Republik östlich des Uruguay auch erst nach einem argentninisch-braslianischen Krieg Anfang des 19. Jahrhunderts als unabhängiger Pufferstaat zwischen den beiden Ländern gegründet, um die Streitigkeiten um das Gebiet endlich zu beenden.
Auch die sprachliche Situation ist von diesem ständigen Interessensstreit gekennzeichnet. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein fanden sich im Norden des Landes nur portugiesischsprachige Siedler wieder, die spanischsprachige Bevölkerung konzentrierte sich auf das südliche Küstengebiet rund um die Hauptstadt Montevideo. So entstand die Situation, dass in dem offiziell rein spanischsprachigen Land zumindest im Norden Portugiesisch oft die einzig vorherrschende Sprache war. Erst nachdem die Regierung nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs und des innenpolitischen Chaos langsam gefestigt war, war die Führung in Montevideo dazu im Stande, umfassende Änderungen vorzunehmen. Im Zuge einer Politkampagne zur Einigung des Landes wurde Ende des 19. Jahrhunderts Spanisch als einzig anerkannte Standardsprache festgelegt und durch gezielte Sprachpolitik durchgesetzt (vgl. Brovetto 2010: 28; Carvalho 2003: 642). Um dies auch im vom Portugiesisch bestimmten Norden geltend zu machen, wurden gezielt Grenzstädte an der argentinisch-brasilianischen Grenze gegründet und man siedelte spanischsprachige Uruguayer aus dem Süden nach Norden um(vgl. Carvalho 2004: 130). Diese Maßnahmen waren erfolgreich, heutzutage ist an dem Status des Spanischen als uneingeschränkte Nationalsprache nicht mehr zu zweifeln. Im Norden entstand durch das plötzlich auferlegte Spanisch im öffentlichen Leben der Portugiesischsprecher jedoch mit der Zeit eine Mischform aus beiden Sprachen, ein „Portugiesisch mit starkem spanischen Einschlag“(vgl. Elizaincín 1984: 14). So überwiegt in der Lexik des fronterizo überwiegt zwar das Portugiesische, das Spanische ist allerdings deutlich zu erkennen(vgl. Penny 2000: 165). In Grammatik und Satzbildung zeigen sich eindeutige Mischphänomene beispielsweise in der Artikelbildung, wie la importação statt a importação im Portugiesischen. Auch fällt im fronterizo die in Uruguay sonst übliche Aspiration des [s] am Silbenende weg (vgl. Lipski 2006: 8).
3.2 Die Entwicklung des fronterizo
Die Mischform fronterizo durchlief im Laufe der Zeit eine Transformation, die bis heute andauert und nur unter Einbezug des soziohistorischen Kontextes der Region im Norden Uruguays und dem Einfluss von Prestige auf Sprache zu erklären ist. Dies soll im folgenden Abschnitt anhand einiger Einflussfaktoren aufgezeigt werden.
Der Norden des Landes war in der Vergangenheit eine nahezu ausschließlich ländlich geprägte Region mit nur vereinzelten kleinen Städten. Dadurch bildeten sich in den vielen Siedlungen unterschiedliche Formen des fronterizo Dialekts, da der Austausch der Bewohner zwischen den Dörfern kaum gegeben war (vgl. Carvalho 2004: 130) und so die Vermischung der beiden Standardsprachen auf unterschiedle Art und Weise vollzogen wurde.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte jedoch ein Urbanisierungsprozess in der Region ein, die unterschiedlichen fronterizo-Formen begannen sich durch Sprachkontakt
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